Ihre engagierten Texte in ihrer facettenreichen musikalischen Umsetzung in tanzbare Black Music in deutscher Sprache stellt immer noch eine seltenere Art dar. Die in Köln lebende deutsch-ghanaische Künstlerin gab uns ein Interview noch vor Jahresende. Die Songs und die spätere EP werden später besprochen. Aber für viele, die sie noch nicht kennen, gibt es schon einmal einen Vorgeschmack auf die Ausnahmemusikerin.
„Ich trage den Spirit des Empowerments und der Aufgabe, ein Sprachrohr für Diversität und Sichtbarkeit zu sein, in meine Musik.“
Deine tanzbaren Crossover von weichem Rap, Soulelementen, Jazzanleihen und engagierten Texten erinnern an die Geburt des tanzbaren britischen Crossover Subgenres der 90er.
Wie kam diese dichte intensive Mischung zustande?
Soul, Rap und jazzige Musik ist Musik, die ich sehr fühle und die ich seit Jahren höre. Ich denke, Hörgewohnheiten prägen dann auch die eigene Musik, nicht allein mit Blick auf die Instrumentalisierung und die Sounds, sondern auch inhaltlich und thematisch. Rap z.B. war und ist ja immer auch politisch. Es ist häufig Musik mit Message, die mich kickt. Das wird einen Teil dazu beigetragen haben, dass es sich für mich natürlich anfühlt, auch politisch und sozialkritisch zu schreiben.
Außerdem sind die Genres Rap, Soul und Jazz eng miteinander verbunden, weil das Sampling von alten Jazz- und Soultracks ja als Grundlage für Beats dienen, früher noch mehr als heute.
Ich betone immer gerne, dass ich keine Rapperin bin und Rap gleichzeitig meine Musik enorm prägt. Rap-Musik habe ich immer geliebt, auch schon als 90er Kind. Und es gab auch eine Zeit in meiner Jugendphase, da wollte ich rappen. Das habe ich auch – allerdings heimlich in meinem Zimmer, denn ich hatte das Gefühl, Rap ist nur für Jungs, Rap ist männlich, was es natürlich nicht ist. Nur damals gab es noch nicht so viele Female MCs, es fehlten einfach weibliche Vorbilder.
Singen spielte gefühlt schon immer eine Rolle für mich und das hat sich dann einfach durchgesetzt, aber auf eine Weise, in der zum Teil eben auch Rap mit einfließt. Die Art und Weise wie ich schreibe ist z.B. oft von Rap geprägt und wahrscheinlich auch der Grund, warum viele meiner Songs so textlastig sind. Die Musikerin Namika hat ihren Stil in einem Interview mal als Rap-Sang oder Flow-Sang bezeichnet. Ich würde sagen, dass trifft auch auf meinen Vocal-Stil zu, auch wenn meine Musik ganz anders klingt als ihre und ich Rap-Sang künstlerisch anders umsetze.
Was auch zum Sound meiner Musik gehört, sind die Einflüsse der Musiker*innen, mit denen ich zusammenarbeite und mit denen die Musik zu meinen Texten entsteht. Die meisten meiner Songs, also auch die meiner kommenden EP, entstanden zusammen mit dem Bassisten Carlos Palmen und dem Gitarristen Aljoscha Genings.
Hast du Vorbilder, auch weibliche, und nicht nur aus der Musik, die dich inspiriert haben auf dem Weg dieses fast schon zeitlosen Mixes, der immer mal in der „Black music“ auftaucht?
Direkte Vorbilder im Sinne von „ich will genauso sein wie“ gibt es für mich nicht. Aber Orientierungen und die wandeln sich ja im Laufe der Zeit. Deshalb würde ich sagen, gab es viele Menschen, sowohl in meinem persönlichen Umfeld als auch Künstlerinnen, die mich auf meinem Weg begleitet und meine Musik geprägt haben. Und zwar Künstlerinnen aus verschiedenen Genres wie Soul, HipHop, Pop, Reggae oder ghanaischem Highlife. Ich denke da an so großartige Musiker*innen wie Erykah Badu, Lauryn Hill, Bob Marley, Micheal Jackson, Samy Deluxe, Jan Delay, Joy Denalane, Nneka, Pat Thomas u.a. Aber auch Soulmusik der 60er und 70er Jahre.
Die Frage, welche nicht-Musikerinnen mich in Bezug auf meine Musik prägen, finde ich schwieriger zu beantworten. Ich würde sagen, das sind meistens einzelne Autorinnen. Z.B., wenn Martin Buber darüber schreibt, was es bedeutet sich als Menschen wirklich einander zu begegnen. Darauf beziehe ich mich an einer Textstelle in meinem Song „Parkbank“. Oder auch Gedichte von May Ayim über ihre Black-German Experience. Solche Personen und Denkansätze sind definitiv Inspirationsquellen und beeinflussen auch meinen politischen Selbstbildungsprozess.
Wie entstand die Idee, eine groovige melodiöse und einprägende deutschsprachige Musik der englischsprachigen zu bevorzugen? Neben Joy Denalane ist das seltener.
Als Kind und als Jugendliche habe ich immer auch viel deutschsprachige Musik gehört und ich habe es nie so empfunden, dass sich englischsprachige Musik grundsätzlich besser anhört als deutschsprachige Musik. Es fiel mir außerdem leichter in meiner Muttersprache zu schreiben und mir stehen da mehr Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung.
In meinem näheren Umfeld gab es auch immer wieder Leute, die Musik, auch auf Deutsch, gemacht haben, weshalb das gar nicht so weit weg war.
Bedeutend war für mich bestimmt auch, dass das Texten auf Deutsch in meiner Familie präsent war. Meine Mutter hat Gedichte geschrieben, mein älterer Bruder hat an Poetry Slams teilgenommen. Alles auf Deutsch und immer mit viel Herz und Verstand.
Es fällt auf, dass weiblicher Rap der Gegenwart enorm vielseitig ist. Eine bunte Mischung auch von Identität. Auch Crossover vieler Dinge, oder?
Definitiv, das nehme ich auch wahr und das ist großartig. Erstmal ist es eine enorm wichtige und gute Sache, dass es mehr Female MCs gibt und mehr sichtbar sind. Mein damaliges Teenie-Ich hätte sich diese Identifikationsvielfalt gewünscht. Für die Future Generation der Female Artists, gerade auch im Rap, ist es auf jeden Fall wegbereitend. Und auf der anderen Seite werden weibliche Artists immer noch zu wenig gefördert, haben häufig kleinere professionelle Netzwerke, sind auf Festival-Line Ups unterrepräsentiert. Da muss sich noch viel ändern.
Die Sichtbarkeit von verschiedensten Identitäten und Zugehörigkeiten ist auf jeden Fall eine Bereicherung. Es ist unglaublich empowernd und ein wichtiger Beitrag für Anerkennungskämpfe und Diversitätsdiskurse in der gesamten Gesellschaft. Und das ist, was Rap ausmacht: Sprachrohr derjenigen sein, die marginalisiert werden und sich selbst ermächtigen. Das ist der Spirit. Und dieser Spirit und diese Haltung trage ich in meine Musik mit rein.
Wie siehst du den Teil des Afrodeszendenz, der ja durch deinen starken Namen zum Ausdruck kommt?
Das hat so viele Facetten, da kann ich hier gar nicht so umfassend drauf eingehen. Das spielt natürlich eine Rolle in meinem Leben, in Identitäts- und Zugehörigkeitsfragen und natürlich auch in meiner Musik, mal implizit, mal explizit. In zwei Songs meiner kommenden EP fließen auf musikalischer Ebene zum Beispiel Einflüsse westafrikanischer Musikstile, wie Highlife oder Afrobeat mit ein. Außerdem singe ich in den Songs Parts auf Twi, die Muttersprache meines ghanaischen Vaters. Einer der Songs heißt „Selbst wenn“ bzw. „Yen ye baako“, was „wir sind eins“ bedeutet. In dem Song geht es um Erfahrungen des "Fremd-seins im eigenen Land“ wie Advanced Chemistry gerappt haben, aber auch darum, dass wir unabhängig von unseren Backgrounds zusammenfinden sollten, wenn wir in einer vielfältigen und friedlichen Gesellschaft leben wollen.
In deiner Musik kommt das starke Engagement für grundlegende Werte wie Respekt, Selbstachtung und Menschenwürde zusammen mit fließender souljazziger Instrumentierung.
Glaubst du, dass diese Genre-Wahl zusammen mit den Texten weitere Kreise an auch nachdenklichen und offenen Menschen ziehen kann und somit zur „Demokratisierung“ von der Idee „Frei zu sein, egal wer ich bin, wo und wie“ beitragen kann?
Erstmal freue ich mich, dass du das aus meiner Musik mitnimmst. Das Ding ist, es gibt einfach viel zu viel, dass uns (vermeintlich) voneinander trennt, zu viel Hass, Ungleichheit und Ungerechtigkeit, zu viel, dass uns herunterzieht und auch zu viele unerzählte oder unterrepräsentierte Geschichten. Ich finde es wichtig, darauf aufmerksam zu machen. Aber ich möchte gleichzeitig auch Mut machen mit meiner Musik und meinen Texten - mir selbst und auch anderen.
Was die eigene Musik mit anderen Menschen macht und was die für sie bedeuten kann, weißt du als Künstler*in ja häufig nicht. Ich wünsche mir natürlich, viele Menschen mit meiner Musik zu erreichen und dass ich als Künstlerin damit einen kleinen Teil dazu beitragen kann, die Idee einer kritischen und vielfältigen Gesellschaft zu leben und zu verbreiten.